Konzertbericht

Amorphis / Before The Dawn / Amoral

16. Oktober 2009
Glauchau, Alte Spinnerei

Eine knappe halbe Stunde nach Einlassbeginn am Veranstaltungsort einzutreffen, sollte im Normalfall für die verwöhnte, nach der ersten Reihe lechzende Konzertbesucherin das Aus bedeuten. Nicht so in der Alten Spinnerei. Hier spazierte ich nach den kurzen, üblichen Kontrollen direkt in eine gähnend leere Halle. Hatte ich mich in der Uhrzeit oder im Datum geirrt? Nein, wir schrieben Freitag, den 16. Oktober 2009, 19:30 Uhr.

Was war passiert? Nun, wie sollten die ortsansässigen Jugendlichen von einem Konzert wissen, wenn schon die Mitarbeiter in der Stadtverwaltung davon nicht die geringste Ahnung hatten?! Wozu erfand einst ein kluger Mensch Werbeplakate, wenn diese in ganz Glauchau und Umgebung scheinbar als überflüssig betrachtet wurden?! Eine Schande… 

So war es nicht weiter verwunderlich, dass Amoral zu ihrem Auftrittsbeginn um 20:00 Uhr anstatt einer sich vor der Bühne drängenden, tobenden Menge ein einziges Trauerspiel vorfanden. Die derzeit geschätzten etwa hundert Konzert­gänger hielten sich hauptsächlich auf den Rängen und im hinteren Drittel des Raumes auf und zeigten kaum eine Reaktion. Weder ein guter Mix aus aktuellen Stücken wie „Gave Up Easy“, „Song For The Stubborn“ oder „Year Of The Suckerpunch“ und älteren Songs wie beispielsweise „Pusher“, noch die ermutigenden Worte von Sänger Ari Koivunen brachten das Publikum der Bühne auch nur ein Stück näher. Jegliche Bemühungen waren zwecklos, was auch der neue Frontmann der Band schnell bemerkte. Trotzdem ließen sich Amoral nicht unterkriegen, zogen alle Register und spielten sich etwa vierzig Minuten lang förmlich den Arsch ab sowie die Finger wund. Daumen hoch! 

Während einer sehr kurzen, maximal zehnminütigen Umbaupause war es dem Publikum, dessen Personenzahl sich mittlerweile mindestens verdoppelt hatte, gelungen den Abstand zur Bühne auf etwa zwei Meter zu verkürzen.

Before The Dawn waren es, welche diese Bretter nun mit ihrem Melancholic Scandinavian Metal zum Beben brachten. Auch sie boten mit „Dying Sun“, „Monsters“, „Morning Sun“, „Scar“ und „The Black“, um nur mal einige Titel aufzuzählen, einen idealen Mix aus alten und neuen Tracks, der von den Konzertbesuchern schon wesentlich besser aufgenommen wurde. Ein paar mutige Herren ganz vorn trauten sich sogar die Mähnen ordentlich fliegen zu lassen. Obwohl die Instrumente um einiges zu laut, die Mikrofone dafür zu leise eingestellt waren, gab es am Klang und Zusammenspiel der Band insgesamt nichts auszusetzen. Ein Glück also, dass Bassist Lars gegen Ende ihres Auftrittes Drummer Atte und Gitarrist Juho nur gefeuert hatte, um mit Vokalist/Gitarrist Tuomas eines der älteren Stücke in einer ganz eigenen Version zu interpretieren. Der Applaus war dem Quartett nach einer guten Dreiviertelstunde sicher. 

Inzwischen hatte sich die Alte Spinnerei endgültig gefüllt. Plötzlich drängten alle nach vorn. Der Bann war gebrochen und die scheinbare Angst vor zu großer Bühnennähe überwunden.

Gegen 22:10 Uhr eröffneten schließlich die Headliner des Abends ihre Show mit „Silver Bride“ und „Sampo“. Schlagartig wurde klar, weshalb die großteils Herrschaften sowie wenigen Damen hierher gefunden hatten. Headbangen, Luftgitarre spielen, lautstark mitsingen - Amorphis schafften es die Leute in ihren Bann zu ziehen. Nummern wie „Towards And Against“, „Majestic Beast“, „Silent Waters“ oder das ruhigere „From The Heaven Of My Heart“ boten aus jeder Zeit etwas und ließen keine Wünsche offen - genauso wenig wie die Soundqualität der Band. Obwohl ich zeitweise den Eindruck bekam, dass Frontmann Tomi Joutsen der Wechsel zwischen klarem Gesang und Growls teilweise schwer fiel und dafür große Anstrengungen nötig waren, hatte mich das Sextett spätestens mit „Sky Is Mine“ und „Black Winter Day“ stimmlich wie instrumental restlos überzeugt. Metal der Extraklasse wurde hier geboten. Mit den Zugaben „Sign“, „House Of Sleep“ und „My Kantele“ stellten Amorphis nur noch einmal mehr unter Beweis, dass sie ihr Geld definitiv wert waren. Eine zufriedene Zuhörerschaft verließ die Alte Spinnerei und machte sich auf den Heimweg.

Ein paar kritische Worte zum Schluss müssen aber noch sein: Liebes Publikum, auch wenn ihr nur wegen des Headliners gekommen seid, bitte lasst es die Vorbands in Zukunft nicht mehr so deutlich spüren. Respekt und Anerkennung hat schließlich jede Gruppe gleichermaßen verdient!
koeh

 

16.10.2009

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