Interview-Marathon
Das neue Jahr dynamisch anzugehen, war unser Ziel - und neun Interviews in drei Monaten sind immerhin ein guter Anfang ...
Für die Frühjahrs-Ausgabe 2009 haben sich unsere Mitarbeiter wieder mächtig ins Zeug gelegt. Da wurde gehört, geschrieben, sich mit der Elektronik herumgeärgert, die offizielle schMuRzi-Domain angelegt – und, und, und… Wann genau die Idee eines Interview-Marathons eigentlich aufkam, weiß heute vermutlich keiner mehr. Eine gute Inspirationsquelle war aber sicherlich das Gefühl, einen Marathon gelaufen zu sein, wenn wir wieder einmal viel zu spät dran waren, erst kurz vor knapp Dinge klären konnten, oder uns mal wieder der Fehlerteufel an den Fersen klebte.
Während unser erstes „Opfer“ Paul Allender (seines Zeichens Gitarrist und Komponist bei den britischen Schreckgestalten Cradle of Filth) uns im Tourbus zwischen Hanteln und Apfelsinen Rede und Antwort stand – und zwar mit schönem, urbritischen Akzent, der die Übersetzung jedoch erheblich erschwerte, wurde der nächste Termin (Negative, nur drei Tage später) mit Jonne Aarons Frühstück zusammengelegt, was stellenweise zwar unglaublich sympathisches, die Interviewer aber doch irritierendes Schmatzen zur Tagesordnung machte.
Saxon’s Biff Byford musste leider aus Krankheitsgründen den Termin unseres Telefonates mehrfach verschieben, was ihn in der chronologischen Reihenfolge zwei Plätze nach hinten rutschen ließ. Dann, nachdem die Feiertage und der Jahresumbruch eher gemütlich vonstatten gingen, hieß es ab Mitte Januar wieder Akkordarbeit zu leisten: 4 Interviews in 11 Tagen!
„Mille von Kreator“ am Telefon zu haben, ist schon ein Event für sich, da der „leicht chaotisch[e]“ Gitarrist und Sänger in gewisser Weise umgänglicher sein dürfte, als er auf den allerersten Blick wirkt. Wenn er einmal warm wird, sind die Antworten auch nicht mehr so pragmatisch, und man merkt, dass er eine Menge zu sagen hat, was einem selbst sehr bekannt vorkommt. Er kann zwar auch ganz schön fies sein und einen mit Gegenfragen völlig aus der Fassung bringen, aber das wollen wir einfach mal außen vorlassen...
Als die Herren von Grave Digger im Zuge ihrer Tour auch in Glauchau vorbeischauten – und das versuchen sie so oft wie möglich zu tun, da sie genau um den verkannten Status der Metalfans in Sachsen wissen – durften wir die Gelegenheit nutzen, ihren Frontmann Chris Boltendahl ein wenig auszufragen. Doch leider sollte die Aufnahme des Interviews nicht so funktionieren, wie man es sich vorstellt. Aus verschiedenen Gründen hatte das Gerät nur die ersten Minuten des Gespräches aufgezeichnet. So ist es zwar interessant zu wissen, dass Chris Vater eines dreijährigen Jungen ist, oder aber keine allzu große Freude daran hätte, in nächster Zeit wieder ein Konzeptalbum zu schreiben. Doch sind diese Informationen leider nur noch im Gedächtnis vorhanden. Nun, wie bereits erwähnt, wurde der Termin mit Biff Byford mehrmals verschoben und wir hatten die Hoffnung schon aufgegeben, als dann eines Abends das Telefon klingelte und der Termin für die nächsten Tage ausgemacht wurde. Ziemlich spontan also – aber es sollte noch spontaner kommen…
Die Planung des Sepultura-Interviews hat uns doch ein wenig geschlaucht, da wir netterweise am Vortag des angesetzten Termins erfuhren, dass sich die Uhrzeit geändert hatte (das Label hatte den geplanten Termin letztlich schon anderweitig vergeben) – Tagesplanung? Umsonst! Aus 14:00 wurde 18:30, wir riefen in Brasilien an und fühlten auch Derrick Green auf den Zahn, einem Mann, der, wenn er wüsste, dass morgen die Welt untergeht, zuallererst an seine Freundin dächte.
Wer nun allerdings glaubt, diese beiden Termine wären spontan gewesen, der kennt die Story „schMuRzi meets Volbeat“ noch nicht… Da freut man sich auf einen gemütlichen Abend mit Käsefondue (mit Ciabatta übrigens sehr zu empfehlen), als plötzlich das Mobiltelefon klingelt und man erfährt, dass es statt der Schweizer Spezialität dänischen Rockabilly-Metal geben soll – und das in rund 2 Stunden. Nun gut, also Brot hinuntergewürgt, Tourmanager kontaktiert, Termin angesetzt, ins Auto geschmissen, unterwegs die Kollegin abgeholt, deren Archivierung aktueller Konzertbilder nun eben zu Gunsten dieses Trips warten musste, und dann die gut 90 km nach Leipzig gefahren (wie oft wir uns dank uneindeutig ausgeschilderter Umleitungen verfahren haben, lassen wir mal außen vor). Etwa eine Dreiviertelstunde zu spät dann endlich angekommen, konnten wir ein wenig mit Thomas Bredahl, dem Gitarristen der Band, die übrigens gerade auf Headliner-Tour war, plaudern.
Vom Konzert bekamen wir zwar nur noch den Mainact mit und das auch noch von sehr weit hinten, doch die Massen tobten und das zu Recht!
Wie entspannt hingegen erschien uns da die Vorbereitung des Interviews mit The 69 Eyes, die am 12. Februar zusammen mit Ava Inferi und Tiamat zum Hellhounds Fest in Leipzig luden – mal davon abgesehen, dass es nicht ganz ersichtlich war, welches Mitglied der Band (oder ob nicht vielleicht sogar die Hauptband), interviewt werden würde… Letztlich stellte sich jedoch tatsächlich der Frontmann der Helsinki-Vampires und bekennender Obi-Wan Kenobi –Freund (so etwas findet man heraus, wenn plötzlich das Handy klingelt), Jyrki, mit Sonnenbrille und demnach nur bedingt einschätzbarer Mimik, unseren Fragen.
Noch lockerer lief die Kommunikation mit unserer mySpace-Bekanntschaft Outtakes, ebenfalls aus Finnland, ab. Ein paar Emails, und schon war das Interview mit drei der vier Punk’n’Roller fertig.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Musiker scheinbar eine gewisse Vorliebe für Alkohol an den Tag legen – wer hätte das jetzt gedacht – und auch anderen Formen körperlicher Freuden sind sie nicht abgeneigt – auch nichts Neues… Doch überraschend ist vielleicht die generationsübergreifende Vorliebe für Spiderman und die überwiegend einheitliche, wenn auch manchmal etwas verwirrt erscheinende, Haltung gegen Drogen.
Was haben wir sonst noch gelernt?
Dass Zeitplanung und die Zeit, die man hat, sich nicht unbedingt immer einig sind.
Dass Anfahrtswege sich gern verlängern, wenn Straßennamen nicht ausgeschildert sind oder plötzlich Baustellen existieren, von denen man nichts gewusst hat.
Dass Musiker auch nur Menschen sind, die essen, schlafen, pupsen, krank sein und sich langweilen … können.
Dass ein Telefonat oder ein face-to-face-Interview zumindest, wenn es ans Übersetzen geht, einen an den Rand des Wahnsinns bringen können: „Na toll, ich weiß, was er sagen will, aber es gibt kein deutsches Wort dafür…“, „Was, bitteschön sind Hundepunks?“, „Was ist ein dcr?“ [und, nach gut zehn Minuten Replay, die Erkenntnis: „This year!!!“].
To be continued…
mica, apae