Wave-Gotik-Treffen

8. bis 12. Mai 2008
Leipzig

Als die einzige derartige Veranstaltung Deutschlands ist das Leipziger Wave Gotik Treffen (WGT) inzwischen geradezu eine Institution, die in diesem Jahr zum bereits 17. Mal stattfand und wieder einmal mehr als 20.000 Besucher in die Messestadt lockte. Bei bestem Pfingstwetter trafen sich nicht nur „Grufties“ aus allen Ecken Deutschlands und Europas. Das Programm, auf Veranstaltungsorte in ganz Leipzig verteilt, war umfangreich und dürfte keine Wünsche offen gelassen haben.
Bereits am Freitagabend trafen die beiden schMuRzi-Redakteurinnen in Leipzig ein, schafften es aber nur noch zum Mitternachtsspezial – Paradise Lost in der agra-Halle. Auf dem Weg dorthin konnten wir aber glücklicherweise ein paar Eindrücke anderer Besucher sammeln, die bereits vor uns das Gelände unsicher gemacht hatten.
So konnte Elis’ neue Sängerin Sandra Schleret stimmlich zwar überzeugen, dem alteingesessenen Fan aber doch nur ein notwendiger Ersatz sein.
Tarja
brachte außer Songs ihres aktuellen Albums „My Winterstorm“ auch einige Nightwish-Nummern wie Passion at the Opera, was treue Fans zu dem Urteil veranlasste, diese seien mit der neuen Sängerin Anette „nicht mehr Nightwish“.
Das bereits erwähnte Mitternachtsspezial waren die Briten von Paradise Lost, die bei sehr guter Beleuchtung in der gut gefüllten Halle ordentlich für Stimmung sorgten.
Für weiter am Rand Stehende wurde der Gesang anfangs leider zum Teil von der Musik, vor allem von den druckvollen Drums verschluckt, aber das legte sich ebenso schnell wie die zunächst mangelnde Teilnahme der Zuhörer. Wie üblich waren es nur die ersten zwei bis drei Reihen, die wirklich mit der Band mitgingen, aber auch das übrige Publikum ließ sich schnell zu Jubel und Feierstimmung hinreißen, so dass die Band ein durchweg gutes Feedback bekam.

Der Samstagvormittag wurde ausgiebig für Erkundungen und Fotos genutzt. So statteten wir Innenstadt, Moritzbastei und Cinestar einen Besuch ab.
Bei dieser Gelegenheit nahmen wir auch das Treffen-Angebot des Kinos wahr. Hier wurden während des WGT für dessen Besucher verschiedene Filme vorgeführt. Wir entschieden uns für „Der Sternwanderer“ und stellten erstaunt fest, dass selbst die in der Wartezeit vor dem Film gespielte Musik dem Publikum mehr oder weniger angepasst war. Nach etwa der Hälfte des Filmes wurde eine ungewollte Pause eingelegt, da die Sonne „die Technik lahmgelegt“ hatte, aber das war schnell wieder behoben, so dass die Unterbrechung nicht lange dauerte.
Ein paar Worte zum Wetter: wolkenlos sonnig und trocken. Tagsüber war es richtig warm, so dass Lustwandeln, Sehen und Gesehenwerden besonders interessant war. Die größtenteils fantastisch ausstaffierten Besucher des Treffens hatten nur mit der Wärme zu kämpfen. In den letzten Jahren sind sie selbst schon fast zu einer eigenen touristischen Attraktion geworden und wurden nicht nur von Journalisten gern fotografiert.
Die Suche nach dem Schauspielhaus führte uns zu Oswald Henke und Markus Förster, die hier das Stück „ZeitenWände“ aufführten. Es hinterlässt nicht nur ein undefinierbares, beunruhigendes Gefühl, sondern beschäftigt den (gewillten) Geist auch Tage später noch. Ein makaber-groteskes Schauspiel, Spiegel der Gesellschaft und der Welt zu Beginn, entwickelt es sich in den vielleicht ganz alltäglichen Wahnsinn hinein; Fragestellungen zwischen Wissenschaft und Moral bis hin zu Nihilismus und Erlösungsfantasien. Beschreibbar? Nein. Am besten selbst erleben.
Der Kohlrabizirkus weckte an diesem Abend unsere Aufmerksamkeit, und so gelangten wir gegen Ende des Auftrittes von Asrai mittels einer gut gefüllten Straßenbahn dorthin.
Die Sängerin der Niederländer war super gut zu hören und insgesamt kam die Band einfach gut an. Die Beleuchtung war etwas rotlastig, aber sonst recht gut. Auch die Soundqualität konnte sich sehen – oder vielmehr hören lassen. Asrai gaben bis zum letzten Song, Sour Ground, volle Power und bekamen entsprechend viel Applaus vom Publikum.
Battlelore
begannen ihren Auftritt mit zarten Flötenklängen, die aber natürlich nicht lange vorhielten. Energisch, wie die Finnen ans Werk gingen, war das Publikum von Anfang an voll dabei. Das Licht, anfangs fast ausschließlich blau, wurde mit jedem Song besser und die Hörerschaft zollte ihrer teilweise Schwert-bewehrten Band bei Titeln wie We are the Legions, Sons of Riddermark und Buccaneer’s Inn headbangend Tribut.
Ein düsteres Intro kündigte Lake of Tears an, bevor sie druckvoll ans Werk gingen. Nachdem Battlelore zuvor das Publikum richtig in Fahrt gebracht hatten, wollte diese Stimmung nun zunächst nicht so richtig aufkommen, doch schnell zogen die Schweden die Hörerschaft doch in ihrem Bann und konnten sich zudem über eine gut gelungene Lichtshow freuen. Insgesamt präsentierten sie sich zum Beispiel mit You better breathe while there’s still time besser als gedacht, wobei die allgemeine Begeisterung aber doch leider nur gelegentlich wirklich zum Tragen kam.
Tiamat
, Headliner des Abends im Kohlrabizirkus, bewiesen schnell, dass einige der bereits zuvor Anwesenden gerade wegen ihnen gekommen waren. Die Halle war nun gut ausgefüllt und es wunderte nur, dass das Publikum nicht ganz so sehr abging wie bei Battlelore. Die vier Schweden boten eine super Show und zogen sicher einige „neue“ Hörer fest in ihren Bann.

Am Sonntag zog es uns ins Heidnische Dorf, den zentralen Treffpunkt vor allem für die Mittelalter-Freunde unter den Besuchern. Verschiedenste Souvenirs, Accessoires und vor allem Mahlzeiten waren hier käuflich zu erwerben, alles untermalt von der passenden Live-Musik.
Der frühe Sonntagabend brachte für uns die letzte Band (und meinen persönlichen Favoriten) des diesjährigen WGT. Morian meisterten ihren ersten Auftritt auf deutschem Boden mit Bravur. Die agra-Halle war trotz der Uhrzeit bereits gut gefüllt und wer neu hinzukam, blieb auch gleich da. Besser als auf Platte spielten die Finnen mit viel Elan und Spaß, was ihnen vom Publikum ordentlich honoriert wurde. Mit Songs wie Sleep of the Just, Away from the Sun und The Legion of Two zeigten die Musiker, was sie können und Sänger Janne Siekkinen (der übrigens die aktuelle Titelseite ziert) bewies seine stimmliche Kraft und Potenzial. Schnell zeigte sich die Hörerschaft begeistert von der Musik wie auch von der Bühnenpräsenz der Band. Morian haben sich mit diesem Auftritt einiges an Bekanntheit erarbeitet und lassen auf das für Beginn 2009 geplante zweite Album hoffen.
Weitere Künstler, zu denen hier noch ein paar Worte zu verlieren sind, waren zum Beispiel Hocico, für deren Autogrammstunde die Fans Wartezeiten von bis zu zwei Stunden gern in Kauf nahmen, oder Spectra Paris, an denen sich die Geschmäcker doch mehr oder weniger teilen konnten.
Auch Covenant oder S.P.O.C.K erfreuten sich großer Beliebtheit und Welle:Erdball begeisterten mit Lollis, Bällen und Papierfliegern, die die Stimmung hoben. Einziger negativer Punkt hier: In Massenansammlungen zu pogen kommt nicht bei jedem allzu gut an…

Zu den allgemeinen Grundbedingungen des Treffens ist zu sagen, dass in allen Veranstaltungsorten striktes Rauchverbot herrschte, die Leipziger Verkehrsbetriebe dem kurzzeitigen enormen Fahrgastzuwachs mit zusätzlichen Linien entgegen kamen – was nicht heißt, dass man sich in der Straßenbahn nicht doch häufig wie eine Sardine gefühlt hat – und Veranstalter, Besucher wie auch Anwohner von großer Rücksichtnahme und Freundlichkeit geprägt waren.

Wie schon in den voran gegangenen Jahren war das WGT sehr gut frequentiert und die Auswahl der Veranstaltungen dem jeweiligen Publikum angepasst. Natürlich kann man immer noch Etwas besser machen, wie zum Beispiel die Übersichtlichkeit (An welcher kilometerlangen Schlange muss man sich anstellen, wenn man welches Ticket haben möchte?) bei der Bändchenvergabe, aber alles in allem war das Treffen hervorragend organisiert, was bei Veranstaltungen dieser Größe immer ein heikles Thema ist – ein großes Lob also an dieser Stelle an die Veranstalter.
Bei den Besuchern stand die Musik im Grunde nur an zweiter Stelle – in erster Linie war und ist das WGT ein Treffen der Szene, eine Möglichkeit, Freunden wieder zu begegnen und neue Kontakte zu knüpfen. Die von uns befragten Gäste nannten vor allem den zwischenmenschlichen Aspekt als den Grund, auch im folgenden Jahr wieder nach Leipzig zu kommen.

apae

 

01.06.2008

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